"Der Schlüssel der Neuen Autorität"

Vor einigen Jahren wurde ich von einem Mitarbeiter der Schulbehörde gefragt, was denn der Schlüssel der Neuen Autorität sei: Was macht sie eigentlich so erfolgreich? Meine damals spontane Antwort ist weitreichender, als sie das im ersten Moment scheinen mag.

 
Die Frage nach dem „Schlüssel“ hatte mich damals überrascht. Ich antwortete, dass ich finde, dass das Wichtigste sei, sich von der Illusion der Kontrolle zu lösen, wie Prof. Haim Omer das in mehreren Vorträgen und Veröffentlichungen bezeichnet hat. Je länger ich mich mit der Neuen Autorität auseinandersetze, desto mehr komme ich zur Überzeugung, dass ich mit dieser unvorbereiteten Antwort nicht nur auf die Frage nach dem „Schlüssel der Neuen Autorität“ beantwortet habe, sondern gleichzeitig eine der wichtigsten Reflexionsebenen angesprochen habe.

 
Dieser Schluss ergibt sich aus der eigenen Erfahrung, aber auch aus der Reflexion von Situationen, in denen die Arbeit mit der Neuen Autorität – und im Besonderen mit dem Gewaltfreien Widerstand – nicht gut gelaufen ist. Oder sogar, wie es einmal eine Sozialpädagogin formulierte, ein „Schuss ins Knie“ war.
Die entscheidende Frage scheint zu sein, was die Intention meines Handelns ist, und wie sehr ich Erwartungen an mein Gegenüber als Reaktion auf mein Handeln knüpfe. Immer wieder machen wir Erfahrungen mit Situationen, in denen Betreuungs- oder Erziehungsverantwortliche eine Maßnahme setzen und dann darauf warten, dass der Adressat oder die Adressatin sein Verhalten so verändert, wie man das gerne hätte. Passiert dies nicht, wird die gesetzte Maßnahme als wirkungslos beschrieben – und vielleicht sogar das gesamte Konzept der Neuen Autorität als nicht hilfreich erfahren.

 
Die Lösung von der Illusion der Kontrolle bedeutet aber, dass wir uns bewusst sind, dass wir nicht ‚machen‘ können, dass das Gegenüber sein Verhalten ändert. Wir können nur uns selbst und unser Handeln kontrollieren. Die Intention unseres Handelns ist damit nicht in erster Linie, die Verhaltensänderung beim Gegenüber zu bewirken. Stattdessen wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir mit bestimmten Verhaltensweisen nicht einverstanden sind und bereit sind, alles in unseren Möglichkeiten stehende zu tun, damit eine positive Entwicklung möglich wird. Dieses Vorgehen wird als Prozess verstanden, der durchaus länger dauern kann und von uns Beharrlichkeit erfordert.

 
Wenn wir durch unser Handeln das Verhalten des Gegenübers verändern wollen, landen wir unweigerlich im Machtkampf. Und so passiert es leider auch immer wieder, dass Tools aus dem Gewaltfreien Widerstand verwendet werden, um Druck auf’s Gegenüber aufzubauen.

 
Ich empfehle deshalb, bei jedem Schritt die Frage zu stellen: „Was ist die Intention meines Handelns?“. Wenn die Antwort lautet: „Dass das Kind/der Jugendliche (endlich) sein Verhalten ändert!“, dann müssen wir noch einmal über den geplanten Schritt nachdenken.

 
Da wir in der Neuen Autorität zudem großen Wert auf Unterstützernetzwerke legen, ist eine wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung, dass wir mithilfe von Intervision, Supervision und auch Fortbildungen unser Handeln laufend reflektieren und neue Impulse bekommen.

5. August 2020, Martin A. Fellacher