Neue Autorität in multikulturellen Erziehungskontexten?

Wie soll das funktionieren? 

Es gibt Sprachbarrieren, unterschiedliche Rollenbilder, stereotype Bilder (über sich selbst und die jeweils anderen), unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung und der „Notwendigkeit“ von Belohnungen, Strafen, Gewalt etc.

Zunächst einmal sind wir als Berater_innen gefragt. Ganz im Sinne der „Neuen Autorität durch Beziehung“ sind wir für die professionelle Beziehung zu unseren Klient_innen verantwortlich. Hier sind das Erkennen der eigenen stereotypen Bilder notwendig, Offenheit und anteilnehmende Neugierde; also interkulturelle Kompetenz.Spracharme systemische Methoden sind Hilfreich, z. B. Genogramme, Skulpturelemente, Landkarten. Bilder, Papier und Stifte können leichter Missverständnissen vorbeugen, als computergesteuerte Übersetzungshilfen.

Kulturelle Werte und Normen befinden sich in ständigem Wandel. In Europa war dieser noch nie so rasant, wie in der Zeit seit dem 2. Weltkrieg. Die Menschenrechte wurden deklariert, Frauenrechte erkämpft und seit gut 30 Jahren haben Kinder in Österreich ein Recht auf gewaltlose Erziehung. In Deutschland ist dies übrigens erst seit 20 Jahren der Fall. 

Menschen, die nach Europa migriert oder geflüchtet sind, haben mit Sicherheit mehr Gewalt in Kriegen, innerhalb ihrer Gesellschaft und Familie erlebt als die große Mehrzahl derer, die hier geboren und aufgewachsen sind. Viele Eingewanderte kennen die antiautoritäre Erziehung nicht und reagieren auf destruktives Verhalten, in ihrer Ohnmacht oder um sich und andere zu schützen, oft mit Strafen und Gewalt. Wenn wir auf Gewaltlosigkeit in der Erziehung und in Beziehungen bestehen, höre ich oft von solchen Eltern oder auch Jugendlichen, dass wir ihnen damit die einzige Möglichkeit nehmen, auf unerwünschtes oder gefährliches Verhalten zu reagieren, sich oder andere zu schützen. 

Hier bietet die neue Autorität eine einmalige Chance zwischen Gewalt und Zurückweichen, zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen symmetrischen und komplementären Eskalationen, ohne dass jemand gewinnen und damit auch verlieren muss. Sicher, es ist nicht leicht, Eltern zu „verführen“ ihren permissiven oder autoritären Erziehungsstil zu verändern, es ist nicht leicht Menschen zu inspirieren, dass sie die Illusion der Kontrolle anderer aufgeben und stattdessen ihr eigenes Verhalten verändern, unabhängig davon, mit welchen Werten und in welcher Kultur sie aufgewachsen sind. Wie dies mit interkultureller Kompetenz und systemischen Methoden gelingt, habe ich in meinem (nicht mehr ganz) neuen Buch anhand von vielen Beispielen beschrieben. Damit konnte ich drei meiner „Herzensthemen“ in einer Veröffentlichung verbinden. Viel Spaß beim Lesen!

2. Dezember 2020, Angela Eberding

  

Lesetipp: 

Eberding, Angela (2020): Neue Autorität in multikulturellen Erziehungskontexten. Erschienen in der Reihe "Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten" bei Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen.

Hier geht's direkt zum Buch auf der Seite des Verlags.